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Schwangere als Versuchskaninchen?

Aussicht auf „Ferinject-Embryos“? Gebraucht werden endlich Daten, nicht nur Worte! – Gegenwärtiger Stand des Nachdenkens.

Wie die Frauenklinik der Universität Bern der SIHO in einem Brief mitteilte, erhalten immer mehr Eisenmangelpatientinnen in der Schweiz Ferinject-Hochdosen – auch schwangere. Laut Aussagen von Spezialisten in Berlin, vom Ferinject-Erfinder (Vifor Pharma) sowie aufgrund des von den Behörden zugelassenen Beipackzettels liegen aber bislang noch keine Daten vor, welche die Sicherheit der davon mitbetroffenen Embryos wirklich bestätigen könnten. Nachfolgend soll deshalb der gegenwärtige Stand des Nachdenkens der 2007 gegründeten Swiss Iron Health Organisation SIHO über diese Situation vorgestellt werden.

Wissenschaftler der Universitäts-Frauenklink Bern haben, wie von uns bereits mitgeteilt, im Juni 2012 in einer Schweizer Ärzte-Fachzeitschrift behauptet, ein Gramm Ferinject in Form einer Einzeldosis an Schwangere sei für die Föten nicht nur unbedenklich, sondern sogar vorteilhafter als Venofer, das sich seit 1990 in seinen moderaten Einzeldosierungen bewährt hat. Es ist völlig unbegreiflich, dass eine solche Darstellung unter der Zeitschriftenrubrik „Fortbildung“ platziert wurde, denn: Im Gegensatz zur Lage bei Venofer gibt es für Ferinject laut der von den Schweizer Behörden zugelassenen Fachinformation noch gar keine Studien: Es liegen erst Resultate von Tierversuchen vor. Im Gegensatz zum Schweizer Beipackzettel geht Deutschland noch einen Schritt weiter als die Schweiz: In der deutschen Fachinformation für Ferinject („Rote Liste“) für Ärzte steht geschrieben: Während der Schwangerschaft sollte Ferinject nicht angewendet werden, es sei denn, dies ist eindeutig erforderlich. In der österreichischen Fachinformation steht: Tierexperimentelle Studien lassen darauf schliessen,  dass die Anwendung dieses Arzneimittels während der Schwangerschaft Auswirkungen auf die Skelettentwicklung des Ungeborenen haben kann.

Ferinject wurde von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde u.a. auch wegen Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Dosierung, selbst bei Nicht-Schwangeren, seit 2008 noch gar nicht erst zugelassen! und die Schweizer Behörde Swissmedic warnt vor Hochdosen.

Wer hat nun aber Recht? Die Universität Bern oder die Behörden?

Aus Sorge darum, dass aus diesem „Schwebezustand“ nicht zu verantwortende Risiken resultieren können, hat die SIHO dieses Problem aufgegriffen und sich mit der Bitte um Stellungnahmen an folgende Institutionen gewandt:

1) Schweizer Behörde Swissmedic / Deutsche Behörde BfArM / Österreichische Behörde AGES / US-amerikanische Behörde FDA / Europäische Arzneimittelagentur EMEA
2) Embryotoxisches Zentrum der Charité Berlin / Ethikkommission Basel
3) Vifor Pharma (Hersteller von Ferinject) / Erfinder von Ferinject

Embryotox Berlin hat auf unsere Anfrage hin eingeräumt, bislang über keine entsprechenden Daten zu verfügen. Dennoch würde auch in Berliner Kliniken den Embryos ein Gramm Ferinject zugemutet. Bisher seien davon keine Nachteile gemeldet worden.

Der Ferinject-Erfinder von Vifor Pharma konzedierte ebenfalls, dass bisher erst Tierversuche, In-vitro-Studien und präklinische Daten vorliegen. Dennoch könne man ein Gramm Ferinject via Schwangere ohne Weiteres auch menschlichen Embryos zumuten. Die Frage, wie hoch die Eisenkonzentration in einem menschlichen Organismus nach der Verabreichung eines ganzen Gramms Ferinject ist, konnte er allerdings nicht beantworten. Er hat sie an die Abteilung „Medical Affairs“ von Vifor Pharma weitergeleitet.

Embryotox hat uns aber auch – und das sei hier hervorgehoben! – seine Position mitgeteilt, wonach die zu verabreichende Dosis, wenn sie denn korrekt sein soll, in jedem Fall individuell ermittelt werden muss. Ausser der SIHO und den Ärztlichen Eisenzentren verfügt bisher aber noch niemand über das dafür unbedingt notwendige Knowhow. Zur Dosis-Berechnung genügt es nämlich nicht, lediglich den Ferritinwert zu kennen, wie das leider Aussendienst-Mitarbeiter von Vifor Pharma den von ihnen besuchten Ärzten und Kliniken glauben machen wollen. So ist beispielsweise auch die Kenntnis der löslichen Transferrinrezeptoren (wegen ihrer Hebelwirkung!) eine wichtige Voraussetzung für die Berechnung der jeweils adäquaten Dosis.

Ferner muss es die SIHO verwundern, dass offensichtlich weder Embryotox noch Vifor Pharma und die Frauenklinik der Universität Bern Wert darauf legen, die Schwangeren und später auch die Neugeborenen hinsichtlich der Eisenkonzentration nach einer Ferinject-Hochdosis zu untersuchen. Dies lässt entsprechende Risiken völlig im Dunkeln und ist aus SIHO-Sicht ethisch sehr bedenklich, wenn nicht gar unzulässig!

In Analogie zu bekannten gesamtwirtschaftlichen Geschehnissen ist man verleitet zu sagen: Möglicherweise droht aus den genannten Gründen der „Bonität“ von Ferinject-Hochdosen für Schwangere sehr bald eine „Herabstufung“: Ihre Aussicht auf therapeutische Sinnfälligkeit musste nämlich spätestens Mitte Juli 2012 aus Sicherheitsgründen auf „negativ“ gestellt werden (Schutzschirm für Ungeborene).

Die Swissmedic hat die SIHO-Anfrage bestätigt und bittet aufgrund von Ferienabwesenheiten um Geduld. Die anderen Angefragten haben bisher noch nicht geantwortet. Insbesondere wartet die SIHO gespannt auf die offizielle Stellungnahme von Vifor Pharma.

Zur Optimierung der Sicherheit hat die SIHO Vifor Pharma eingeladen, ihr sowohl das Knowhow zu vermitteln als auch eine Einsicht in die anonymisierten Daten zu gewähren.

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